100 km in Biel - Grenzerfahrung

 

Nach dem ich 2007 für Günther die Radbegleitung gemacht hatte sollte dieses Jahr der eigene Start anstehen. Ich habe mir dieses

Jahr zum Ziel gesetzt in die Europacupwertung der Ultramarathonis zu kommen und somit stand dieses Grossereigniss der Bieler

Lauftage 5 Wochen nach dem Rennsteig Ultra auf meinem Plan. Die Wochen zwischen dieses Läufen waren nicht einfach: Hatte ich

nach dem Rennsteig das Gefühl Beine wie ein 20jähriger zu haben so änderte sich dieses Woche für Woche und vor den 100 km

von Biel fühlte sich das eher nach einen 60jährigen an. Es war sehr schwer das richtige Maß zu finden, um nicht zu wenig oder auch

nicht zu viel zu trainieren.

 

Wir fuhren bereits am Donnerstag nach Biel und trafen uns dort mit Hermie, Kathi, Günther und Franz. Günther wollte ebenfalls

über die 100 km starten und Franz (sein Schwiegervater) machte für ihn die Radbegleitung. Der Donnerstag war in Biel so heiss,

das man bei jeder Bewegung schwitzte und somit möglichst wenig Bewegung auf dem Programm stand :-)

 

Am Freitag machten wir uns dann um 16 Uhr zur Abholung der

Startunterlagen auf den Weg. Ich muss ehrlich zu geben das ab

diesem Moment mich doch etwas (für mich ungewohnte) Unruhe

erfasste. Die restlichen Stunden schaute ich Fussball und lag

faul auf dem Bett rum, bis wir um kurz nach 8 den Weg nach

Biel antraten.

 

Das erste Mal schnellte die Herzfrequenz schon vor dem Start

hoch! Ich bin hier auf DER KULTVERANSTALTUNG in der

Läuferszene und auf dem Parkplatz beim Start wird geparkt als

wäre ich bei irgendeinem Dorflauf tztztz da wäre ein Mann mehr

vom Veranstalter sinnvoll, weil die Fähigkeit lange laufen zu

können nichts damit zu tun hat logisch parken zu können.

 

mini-Kopie von P1030837

Abholung der Startunterlagen

tztz hier muss man anstehen um sich über

100 km quälen zu dürfen :-)

 

 

 

 

Na ja, Schwamm drüber ab jetzt schauten glaube ich die meisten Starter Richtung Himmel: Da bildeten sich doch sehr besorgnis-

erregende Wolken und ich hätte einiges gewettet das es diese Nacht richtig anfängt zu regnen. Die restliche Zeit bis zum Start

beschäftigte ich mich mit meiner Tochter oder mit der Suche nach Wolfgang Bernath (denn ich leider nicht finden konnte).

Um zwanzig vor zehn machte sich dann Franz mit dem Feld der Radfahrer auf den Weg nach Lyss und der Start rückte somit

immer Näher. Ich war mittlerweile wieder cool wie ein Eisberg, meine Herzfrequenz von 72 sorgte bei Günther nur für Kopfschütteln.

 

mini-Kopie von P1030838

Der Himmel über Biel

mini-Kopie von P1030840

Franz, Günther und ich vor dem Start

 

 

 

 

 

mini-Thosi+Tina

auf der Suche nach Wolfgang mit Tina

mini-P1030860

und los ging es

 

 

Jetzt ging es endlich los - mir war bewusst das es ein hartes Stück Arbeit werden würde um mir dieses Finishershirt zu holen.

Die ersten ca. 8-9 km ging es durch Biel, dort herrschte eine Superstimmung; viele Zuschauer an der Strecke sorgten für ein

Gefühl wie bei einem “gewöhnlichen “ Marathon. Es waren aber nicht nur die Zuschauer, nein auch das Tempo das

hier zu Beginn gelaufen wurde war hoch! Ich versuchte mich etwas zu bremsen und ließ hier doch schon sehr viele Läufer an mir

vorbei. Ein viel grösseres Problem für mich war, das ich es als extrem schwül empfand und somit richtig schwitzte. Die ersten

Getränkestationen wurden deshalb von mir genutzt um gleich mal einen Wasserbecher über den Kopf zu leeren.

 

mini-profil

Höhenprofil Biel

 

 

Dann kam der erste Antieg beim Port und es ging hinaus ins Dunkle der Nacht. Ich merkte zu diesem Zeitpunkt schon das ich

für mich persönlich mit der Vermutung richtig lag, das das Laufen in der Nacht so einen Event eher leichter macht! Es ist keine

Sonne da und die Temperaturen waren somit sehr angenehm. Nach ca. 11-12 km lief ich zum ersten Mal auf Günther auf und war

doch etwas erschrocken: Günther wollte von Beginn an schneller unterwegs sein als ich und jetzt trafen wir uns so früh! Günther

ging es nicht besonders gut, was ihn dann später auch zur Aufgabe in Oberramsern zwang.

 

Ich muss ehrlich zu geben das ich doch ein schlechtes Gewissen hatte als ich Günther durch die Nacht davon zog, auf der anderen

Seite ist so ein 100er auch kein Spaziergang und jeder muss nach sich selbst schauen. Dann ging es in Aarberg über die historische

Brücke; blauer Teppich und viele Zuschauer sorgten hier für den Stimmungshöhepunkt. Ich war für meinen Geschmack immer noch

zu schnell unterwegs, so zog ich zwischen Kilometer 20 und 25 die Notbremse :-) Erst einmal gehen um nicht schon zu früh sich

völlig auspowern. In Lyss kamen dann die Radbegleiter dazu und ich erinnerte mich an 2007 als ich hier wartete. Mir machte das

Laufen in der Nacht richtig Spass: Die Rücklichter der Fahrräder und wenn man sich umdrehte die vielen Lichter hinter einem sorgten

fast schon für eine kuschelige Stimmung :-)

 

So ging es eigentlich ganz gut voran, bis ich zwischen Kilometer 50 und 60 doch heftig einbrach. Die Rettung war der Verpflegungs-

stand bei Kilometer 55, der hauchte mir dann wieder etwas Leben ein. Dies war allerdings auch der einzige Moment wo ich mir

gewünscht hätte eine Radbegleitung zu haben! Da wäre es sicherlich gut gewesen schon nach 51/52 km noch einmal etwas zu

trinken, mmhh gutes Stichwort trinken: Ich hatte die ersten 40 Kilometer nur gesüssten Tee getrunken und bin dann zusätzlich auf

Cola umgestiegen (ich glaube die restlichen 60 Kilometer habe ich eine ganze Kiste Cola gesoffen ;-) )

 

Es kam einer der Kultstreckenteile in Biel: Der Ho Chi Minh-Pfad. In jedem Laufbericht über Biel wird dieser Teil besonders

erwähnt und gilt als die interessanteste Strecke innerhalb der 100 km. Ok ich werde jetzt vermutlich einige längjährigen Bielläufer

verärgern, aber ich muss sagen so toll fand ich das überhaupt nicht! Es ist dunkel und man rennt durch den Wald, wo Wald ist sind

logischerweise auch Wurzeln. Das Problem bei den meisten Läufern nach 57 Kilometern ist das die Füsse nicht mehr so einfach

über den wechselnden Untergrund kommen, aber soooo toll und schwer empfand ich das bei weitem nicht. Mein grösstes Problem

war das ich keinem der schnelleren Läufer im Weg war und somit durfte ich ab und zu ausweichen neben den schmalen Pfad.

Ich empfang es sogar als äusserst lustig wenn ich phasenweise alleine mit meiner Lampe ohne Sichtkontakt nach vorne oder hinten

zu einem anderen Läufer durch den Ho Chi Minh-Pfad lief, ging, stolperte oder so ähnlich :-)

 

Ich lief nach wie vor immer noch in einem Zeitfenster das es mir möglich machen sollte unter 12 Stunden im Ziel anzukommen, was

aus meiner Sicht auch von Anfang an das realistische Ziel war! Ich wechselte immer wieder zwischen laufen und gehen hin und her,

somit hatte ich einen guten Rhythmus. Was mir aber doch etwas den Zahn gezogen hat und dafür sorgte das ich vor allem im Kopf

massiv abbaute war die Strecke von Kilometer 70 bis 78. Es war nun morgens zwischen 6 und 7 Uhr, jetzt konnte man gut sehen

wo die Strecke entlang ging. Ich wusste von der Radbegleitung das gleich aus meiner Sicht der heftigste Anstieg kam in Biebern.

Irgendwo da hat mich der Glauben und der Wille unter 12 Stunden zu kommen verlassen, ab da war es dann eher nicht mehr lustig

oder wie meine Tochter zu sagen pflegt: Tina, will nicht mehr.

 

Der Herr Papa war jetzt im Arsch *g* Der Gedanke an noch mal 20 Kilometer und die Einschätzung das ich hierfür mehr als

3 Stunden brauchen würde sorgten für schlechte Laune. Das ein oder andere Mal redete ich jetzt mit mir selbst und die Wortwahl

ging eher in die Richtung: “ Beweg dein Arsch” oder “ du faule Sau lauf”. Jetzt war es also eher ein “Wandertag” und das einzige

was einen aufheiterte war die Tatsache das ich nicht der Einzige war der zum Dauergeher wurde. Ich glaube das ist die schwierigste

Zeit bei einem Ultra, wenn man mit sich alleine und den tausend Gedanken die einem durch den Kopf gehen versucht irgendwie

vorwärts zu kommen.

 

85, 90, 95 gaaaaanz langsam ging es dem Ziel entgegen und ich hatte noch eine neues Problem: Wenn ich mich mal entschliessen

konnte ein paar Meter zu laufen hatte ich doch sehr unangenehme Schmerzen am linken unteren Schienbein (habe ich heute noch)

so das ich meistens nach 100-200 Meter wieder am Gehen war. Die spannenste Frage zu diesem Zeitpunkt war:

WO bleibt Wolfgang? Er wollte auch um die 12 Stunden laufen und ich stellte mich schon einmal darauf ein das er gleich an mir

vorbei “fliegen” wird. Wolfgang hatte mich ja schon einmal in Schwäbisch Gmünd (2007) ins Ziel geschleppt und somit dachte ich

das es hier zu einer Wiederholung kommt. Knapp 800 Meter vor dem Ziel entschied ich mich dann doch trotz Schmerzen jetzt

gefälligst anständig wie es sich gehört ins Ziel zu laufen. Nach 12:16:55 war es endlich soweit, das Ziel in Biel war erreicht und

die zweite Etappe zur Wertung im Europacup der Ultramarathonis erreicht *schnauf*

 

mini-IMG_2511

warten auf Papi

 

mini-Zieleinlauf

Zieleinlauf mit dem neuen Shirt von Tina und Sonja

mit dem Text: Lauf Papi Lauf

 

 

 

 

 

mini-P1030861

Im Ziel: endlich sitzen

mini-Wolfgang

mit Wolfgang, den ich um Längen geschlagen habe hüstel ok

es waren 40 Sekunden

 

 

Fazit: also wenn ich die Strecke vergleiche mit dem Thüringen-

Ultra ist Biel deutlich leichter. Der Lauf findet in der Nacht

statt und somit kann man doch sehr lange Laufen ohne das

Thema Hitze. Die Strecke hat aus meiner Sicht nur einen richtigen

Hammeranstieg, der bei Kilometer 80 kommt. Die Atmosphäre

ist natürlich einzigartig, vor allem dann wenn man in der Nacht nur

die Schritte der anderen Läufer hört. Ich denke man sollte an

dieser Stelle natürlich auch den Helfern danken, da ich vermute

das manche sich Jahr für Jahr die Nacht um die Ohren schlägt

um ein paar “Bekloppten” Tee, Wasser und Cola zu reichen.

 

Ich persönlich musste erkennen das zwei so harte Läufe wie der

Rennsteig und Biel innerhalb von 5 Wochen für mich die Grenze

bedeuten! Ich glaube allerdings schon das wenn ich “nur” Biel

laufe eine deutlich schnellere Zeit möglich ist.

mini-IMG_1026

da isch das Ding :-) Finisher-Shirt und Medaille

 

 

 

 

 

KM

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

Zeit

24:42

26:33

28:42

28:52

34:48

29:54

34:31

37:47

35:44

34:41

40:44

39:37

38:58

37:42

36:39

Herzf.

156

155

148

146

143

146

139

130

136

134

125

121

129

124

113

 

KM

80

85

90

95

100

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zeit

42:59

42:01

45:27

47:52

48:12

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Herzf.

118

109

101

101

101

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 zum Seitenbeginn

 

zur Übersicht